Geschichte
Seit 700 Jahren leben Juden in Hannover. Von ihrer Anzahl her bildeten die jüdischen Einwohner stets nur eine kleine Gruppe. Aber nicht nur nach der Bevölkerungsstatistik stellten die Juden eine Minderheit innerhalb der Stadtgemeinde dar. In einer von christlichen Anschauungen geprägten – das bedeutet: den Juden gegenüber feindlichen – Umgebung hielten sie an ihren religiösen Überlieferungen, den traditionellen, rituell vorgeschriebenen Lebensformen – beispielsweise der Heiligung des Schabbat, der Orientierung an einem eigenen Festkalender und der Befolgung besonderer Speisegesetze fest. Dadurch waren die Juden für ihre Umgebung als Außenseiter zu erkennen. Die von der christlichen Kirche vor und nach der Reformation ausgehende Feindschaft gegenüber den vermeintlich Ungläubigen entlud sich in wiederholten Übergriffen und Vertreibungen.
Seit 700 Jahren leben Juden in Hannover. Von ihrer Anzahl her bildeten die jüdischen Einwohner stets nur eine kleine Gruppe. Aber nicht nur nach der Bevölkerungsstatistik stellten die Juden eine Minderheit innerhalb der Stadtgemeinde dar. In einer von christlichen Anschauungen geprägten – das bedeutet: den Juden gegenüber feindlichen – Umgebung hielten sie an ihren religiösen Überlieferungen, den traditionellen, rituell vorgeschriebenen Lebensformen – beispielsweise der Heiligung des Schabbat, der Orientierung an einem eigenen Festkalender und der Befolgung besonderer Speisegesetze fest. Dadurch waren die Juden für ihre Umgebung als Außenseiter zu erkennen. Die von der christlichen Kirche vor und nach der Reformation ausgehende Feindschaft gegenüber den vermeintlich Ungläubigen entlud sich in wiederholten Übergriffen und Vertreibungen.
Die allgemeine Ablehnung der Juden fand ihren Niederschlag in dem besonderen Rechtsstatus, nach dem jüdische Einwohner in Hannover nur mit ausdrücklicher, zeitlich begrenzter Genehmigung seitens der Obrigkeit, als Fremde ohne die Rechte anderer Einwohner, leben durften.
Die im 17. Jahrhundert beginnende Tolerierung des Judentums als Religion schloss die gesellschaftliche Ausgrenzung der Juden keineswegs aus; symbolisch erscheint die Anlage der ersten Synagoge 1703 auf einem für die Öffentlichkeit unsichtbaren Platz, im Hinterhof. In dieser Abgeschiedenheit entwickelte sich in der kleinen Kehilla (hebr.: Gemeinde ) ein jüdisches Leben von einiger Bedeutung. Die eigenständige jüdische Kultur ermöglichte die Aufrechterhaltung des Judentums, seiner religiösen Identität und seines sozialen Zusammenhangs.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, mehr als 550 Jahre lang , existierte die jüdische Minderheit am Rande der Gesellschaft, bis auch im Königreich Hannover, das für sie geltende Ausnahmerecht aufgehoben wurde, und die Juden vom Gesetz mit allen übrigen Einwohnern gleichgestellt wurden.
Den veränderten äußeren Lebensbedingungen entsprach ein innerer Wandel des Judentums. An die Stelle der altfrommen Kehilla trat die Synagogengemeinde als Religionsglied. Aber kein Reformgesetz konnte die Folgen Jahrhunderte langer Diskriminierung aufheben: die einseitige Berufsstruktur der Juden, nachdem ihnen die Teilhabe an städtische Handwerks- und ländlicher Agrarproduktion stets versperrt worden war, und das negative, von Misstrauen und Feindseligkeit geprägte Bild von den Juden bei großen Teilen der Bevölkerung. Die Juden blieben auch nach ihrer rechtlichen Gleichstellung als Minderheit erkennbar.
Beschwörungen einer Normalität friedlichen jüdisch-deutschen Zusammenlebens vor der Nazizeit verwechselt Wunsch und Wirklichkeit. Die wenigen Jahrzehnte zwischen Emanzipation und Nationalsozialismus brachten zwar einen sozialen Aufstieg des Judentums in der bürgerlichen Gesellschaft, aber es formierten sich zugleich antiliberale und antidemokratische Bewegungen mit judenfeindlicher Programmatik: der moderne Antisemitismus, der noch vor der Jahrhundertwende auch in Hannover viele Anhänger für das Ziel einer erneuten Ausgrenzung der Juden mobilisierte.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts erwarben die Juden Hannovers zur Beisetzung ihrer Toten einen Sandhügel weit vor den Toren der Stadt, an der heutigen Oberstraße. Der Friedhof war – von einer Hecke abgesehen – ungeschützt, so dass es wiederholt zu Grabschändungen durch Sand und abfahrende Fuhrleute kam.
1671 wurde auf dringende Bitte der jüdischen Gemeinde ein Schutzbefehl des Amtsvogts von Langenhagen auf einer noch heute vorhandenen Steintafel publik gemacht und ausdrücklich davor gewarnt, die jüdische Grabstadt ... (zu) filieren oder (zu)turbieren, (zu) beschädigen oder zu stören.
1740 wurde dann eine Mauer um den Friedhof gezogen.
Das Edikt des Herzogs Ernst August vom 10. März 1687, durch das den Juden die Wahl eines Landrabbiners erlaubt wurde, ging auf ein Gesuch der unter staatlichem Schutz im Lande lebenden Juden zurück, die bis dahin ihre internen Streitigkeiten vor auswärtige rabbinische Gerichte hatten bringen müssen. Der hannoversche Landesrabbiner war zuständig für das gesamte damalige Staatsgebiet, die Fürstentümer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen.
In der Synagogengemeinde Hannover war Landesrabbiner Samuel Meyer zugleich als Ortsrabbiner tätig. Die Entwicklung der jüdischen Gemeinde war von einem stetigen Zustrom jüdischer Familien aus kleinen Landgemeinden bestimmt – nach Aufgabe des Niederlassungsverbots 1842 durften auch die Juden ihren Wohnsitz frei wählen. Mit dem Anwachsen Hannovers zur Großstadt nahm auch die Zahl der jüdischen Einwohner stark zu (1833:537, 1852:668, 1871: 1936, 1910:5155). Aus der kaum bedeutenden jüdischen Kleingemeinde des 18. Jahrhunderts wurde eine der 10 deutschen Großgemeinden, viele ihrer Mitglieder erwarben das Bürgerrecht der Stadt.
Die Alte Synagoge von 1827 erwies sich bald als zu klein, und auf Samuel Meyers Initiative hin wurde ein Neubau beschlossen. Meyer leitete persönlich die Baukommission, die sich für das Projekt des Architekten Edwin Oppler entschied und dafür vom Staat einen Bauplatz gegenüber der Alte Synagoge erwerben konnte.
Die hoch aufragende Neue Synagoge wurde demonstrativ als freistehendes Gebäude auf einem neu geschaffenen zentralen Platz in Nachbarschaft zu den Hauptkirchen der Stadt errichtet: der Bau symbolisierte den Respekt und die Anerkennung, die inzwischen den Juden entgegengebracht wurden.
Der dreischiffige Zentralbau hatte im Erdgeschoß 650 Plätze für Männer und auf den Emporen 450 Plätze für Frauen; die im Innenraum lediglich ornamental ausgeschmückte Synagoge besaß keine Orgel, denn die hannoversche Gemeinde begnügte sich stets mit dem Einsatz eines großen Synagogenchores. In einer Tresorkammer verwahrte die Gemeinde alte wertvolle Thoraschreinvorhänge und Kultgeräte.
Die Einweihung der Neuen Synagoge am 15. September 1870 bildete einen Höhepunkt im Gemeindeleben; die Synagoge blieb für sieben Jahrzehnte bis zur Zerstörung am 9 November 1938 das religiöse Zentrum der hannoverschen Juden.
Seit dem Frühjahr 1938 gingen die Nationalsozialisten mit einer Vielzahl von bürokratischen und Polizeimaßnahmen gegen die Juden vor, um deren wirtschaftliche Ausschaltung zu beschleunigen und den Druck zur Auswanderung zu verschärfen: Zwang zur Vermögensanmeldung, Anmeldung und öffentliche Kennzeichnung der jüdischen Betriebe, prinzipielles Berufsverbot für Ärzte und Anwälte, Zwang zur Annahme jüdischer Vornamen.
Die Synagogengemeinden verloren ihren Rechtsstatus und konnten ihre Mitglieder weniger denn je beschützen. Im Juni setzte eine Verhaftungswelle im gesamten Reichsgebiet ein; im Oktober wurden 17000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit aus Deutschland ausgewiesen, darunter 484 Juden aus Hannover, die in einer Nacht- und Nebelaktion zusammengetrieben und am 28. 10. über die polnische Grenze deportiert wurden. Im Verlauf des 10. November schwärmten die SS-Kommandos in gesamten Stadtgebiet zu Verhaftungsaktionen und Wohnungs- sowie Geschäftsplünderungen aus. Tagsüber wurde auch die 1928 erbaute Halle auf dem jüdischen Friedhof Bothfeld in Brand gesetzt und zerstört. Die Polizei griff nicht ein; ihre Berichte geben jedoch einen Überblick über die Zerstörungen. Insgesamt wurden 334 Juden aus Hannover und Umgebung verhaftet und in das KZ Buchenwald deportiert; 27 Wohnungen und 94 Ladengeschäfte wurden demoliert.
Höhepunkt des NS- Terrors gegen die Juden 1938 war der organisierte Pogrom vom 9., 10. und 11. November, als überall in Deutschland von Nazi-Aktivisten Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Einrichtungen zerstört, Wohnungen und Geschäfte geplündert und demoliert wurden. Es blieb nicht bei Angriffen auf Gebäude und Eigentum: 30000 Juden wurden in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt, wo mehrere Hunderte von ihnen durch Misshandlungen umkamen und den übrigen die sofortige Auswanderung unter Zurücklassung allen Besitzes abgepresst werden sollte. Neue Verordnungen verbaten jede weitere Geschäftstätigkeit und bewirkten zugleich eine Vermögensabtretungen aller verbliebenen Geldbeträge an den Staat. Die soziale Isolierung wurde durch den Ausschuss jüdischer Schulkinder von öffentlichen Schulen und ein generelles Verbot des Besuchs kultureller Veranstaltungen vertieft. Jüdische Organisationen wurden zerschlagen, die jüdische Presse verboten; die legale Existenz des deutschen Judentums war beendet, die jüdischen Familien der Verelendung preisgegeben.
Die NS-Propaganda prägte für den – geplanten – Pogrom die verharmlosende Bezeichnung Reichskristallnacht und stellte die Ereignisse als Ausdruck spontanen Volkszorns über das Pariser Attentat Herschel Grünspans hin – Grünspans Familie, seit 27 Jahren in Hannover ansässig, war unter den Deportierten der Oktober-Aktion gewesen. Die Propagandathese von der Volks Wut sollte bemänteln, dass der November-Pogrom eine Wende in der nationalsozialistischen Behandlung der Judenfrage darstellte: war der Antisemitismus auch schon vor 1938 immer mehr zur Staatsangelegenheit geworden, so wurde jetzt die NS- Judenpolitik an die SS übertragen, die über Apparat und Personal des modern organisierten Reichssicherheitshauptamts verfügte.
Fortan kam individuellen Übergriffen von Antisemiten keine wesentliche Bedeutung mehr zu – die Bevölkerung konnte sich abseits halten und angesichts des staatlichen Vernichtungsprogramms bei aller judenfeindlichen Prägung und in Indifferenz flüchten.
Bis 1949 hatten die meisten der im Nachkriegs-Hannover lebenden Juden, ob Heimkehrer oder DPs, die Stadt verlassen und waren ausgewandert. Dennoch blieb die Jüdische Gemeinde bestehen: manche, vor allem ältere Mitglieder, fühlten sich den Belastungen eines Neuanfangs in Ausland nicht gewachsen, andere wollten aus persönlichen Gründen trotz der schrecklichen Erlebnisse der Verfolgung in ihrer Heimatstadt bleiben. Für diese Menschen hatte die Gemeinde zu sorgen. Ihr erstes großes Bauprojekt war die Errichtung eines jüdischen Altersheims, das 1953 in der Haeckelstraße 6 eröffnet wurde. Zwei weitere wichtige Aufgabenbereiche der Gemeinde bis in die sechziger Jahre hinein: die Beratung und Unterstützung für die in aller Welt lebenden Mitglieder der früheren Synagogengemeinde bei ihren Ansprüchen nach den Wiedergutmachungsgesetzen, daneben die Hilfe für Besucher, die als Zeugen in NS-Prozessen nach Hannover kamen.
Die Auseinandersetzung mit dem Tod ist ein zentrales Thema aller Menschen jeder Religion. Das Judentum lässt unterschiedliche Vorstellungen über Tod und Auferstehung zu. „Diese Welt ist nur ein Korridor zur kommenden Welt, der Tod ist das Durchschreiten des Tores zwischen zwei Welten; er gibt Einlass in eine Welt, die vollkommen ist.
Der jüdische Friedhof, hebräisch: Beth Olam – Haus der Ewigkeit, auch Beth Hachajim – Haus des Lebens genannt, soll für die Verstorbenen der „gute Ort“ sein, er will ihnen eine würdige und dauerhafte Ruhestätte inmitten von Menschen ihres Volkes und Glaubens geben: nach jüdischer Auffassung soll ein Grab auf „ewig“ unangetastet bleiben.
Die Forderung eines ewigen Ruherechts entspricht der religiösen Vorstellung einer zukünftigen körperlich verstandenen Auferstehung der Toten.
Die Beisetzung der Toten ist im Judentum eine Sache der Gemeinschaft; zu den wichtigsten „Lebensmomenten einer israelitischen Gemeinde gehört ... die Art und Weise, wie sie ...ihre religiösen Institute erhält und fortbildet, Wohltätigkeit übt und fördert und ganz besonders, wie sie für Arme, Kranke und Verstorbene sorgt...“ (Salomon Frensdorff, 1845). In diesem Sinne bezeugen die drei jüdischen Friedhöfe Hannovers beispielhaft die innere Entwicklung der alten Synagogengemeinde.
Der Friedhof An der Strangriede war von 1864 bis 1924 der Friedhof der hannoverschen Juden; heute ist er mit seinen mehr als 2600 erhaltenen Grabstätten das bedeutendste Zeugnis des hannoverschen Judentums aus den Jahrzehnten zwischen Emanzipation und Nationalsozialismus.